Herr, es ist Zeit, die Bohnen abzuräumen, die Tulpenzwiebeln in der Erde zu versenken, die neue Wildrose zu pflanzen und noch eine Kornelkirsche, weil die Insekten die so lieben. Es ist Zeit, den Rhabarber zu teilen und Leimringe gegen Frostspanner um die Apfelbäume zu legen, und wer jetzt kein Hochbeet hat, baut sich keines mehr, jedenfalls nicht in diesem Jahr.
Es ist Zeit, in den Himmel zu schauen und diese klare Luft und die Farben aufzusaugen, so schön, manchmal unerträglich schön, der Theaterregisseur Martin Kusej, der aus Kärnten stammt, beschrieb es mir einmal so: Immer im Herbst gebe es »zwei, drei Wochen des tief liegenden letzten Sonnenlichts, das sich an den Kanten der Gebirgsformationen besonders raffiniert bricht oder sich in den absterbenden farbigen Blättern der Bäume einfängt. Das ist so ungeheuerlich schön, da hat man einen eisernen Reifen ums Herz, da muss ich ganz rasch weg.«
Er hat ein literarisches Zitat gefunden, bei Haruki Murakami, das dieses Gefühl benennt: »Die grundlose Traurigkeit, die der Anblick einer ländlichen Idylle im Herzen des Menschen hervorruft.«
Manchmal ist das so. Ich kenne das, manchmal ist er so, der Herbst.
Das Licht, die Farben. Sattes Gelb, flammendes Rot. Unser Eisenholzbaum feuert sein Rot schon früh, er hat irgendeinen Schädling in den Blättern. Ebenso der Blumenhartriegel. Ich schalte die Sorgenmaschine ab und freue mich an der Farbe. Bis zum nächsten Jahr, sage ich mir, haben sie sich bestimmt erholt.
Ich kann mich nicht daran erinnern, dass man früher Kürbisse essen musste.
Die Kater des Nachbarn läuft den Catwalk entlang, kurz darauf folgt ihm eine Maus, auf demselben Weg. Tom und Jerry bei mir im Garten. Tom tut der Maus nichts, lässt sie in Frieden. Geht der Herbst auch dem Kater ans Gemüt?
Es kann – Moment, da war jetzt ein Laubbläser –, es könnte so schön sein im Herbst. Es könnte, wären die Kürbisse nicht. Kürbisse mag ich etwa so gern wie Laubbläser. »Aber du musst doch nur«, sagt man mir, »du musst doch nur Sauerrahm oder Pesto oder Parmesan oder Kürbiskernöl oder alles zusammen drauftun.« Muss ich nicht, könnte ich, aber all das sagt mir: Kürbis ist das Nichts, aus dem mit dem Einsatz von vielen Geschmacksstoffen etwas gemacht werden muss. Ich kann mich nicht daran erinnern, dass man früher Kürbisse essen musste. Sie kamen als Zierkürbisse aus dem Garten und lagen dann gelb, orange oder auch grün gesprenkelt im Wohnzimmer herum und verstaubten, und das war’s dann auch.
Ich verweigere mich dem Kürbis im Beet, aber mein Gartenbuch schreibt, dass der Speisekürbis, diese jahrtausendealte Kulturpflanze aus Süd- und Mittelamerika, hierzulande »immer mehr Freunde« finde, dass die Pflanze »sowohl roh als auch gekocht und gebraten sehr gut schmeckt«; ich kann es nicht bestätigen. Wenn ich das sage, höre ich: »Aber MEINE Kürbissuppe!« – und ich kriege sie erst recht serviert.
Was ist passiert? Die Erklärung, die ich kenne, reicht zurück ins Jahr 1991. Davor war der Kürbis für mich primär eine Erscheinung aus den »Peanuts«. Linus, der optimistische, noch nicht so vom Leben enttäuschte Freund Charlie Browns, wartete immer auf den »Großen Kürbis« zu Halloween, der Geschenke bringen würde, der aber nie erschien.
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Dann kam vor 30 Jahren der Golfkrieg. Fasching, Karneval, Fastnacht, oder wie man es nennen will in Deutschland, fiel aus Pietätsgründen aus. Und dann, so habe ich gelesen, entdeckte eine Fachgruppe der Spielwarenindustrie, dass man sich auch zu Halloween verkleiden kann. Flankierend dazu mussten Kürbisse ausgehöhlt, mit Grimassen versehen und von innen erleuchtet werden. Der Schritt zur Kürbissuppe war nicht mehr weit.
Ja, Kürbiskernöl ist großartig, wenn man es auf etwas anderes träufelt als Kürbissuppe. Nein, ich bin nicht gegen pflanzliche Zuwanderer, bis auf ein paar Ausnahmen.
Übrigens habe ich mir neulich, als ich mich an Kürbissuppe versuchte (»MEINE KÜRBISSUPPE!«), beim Schlachten des Kürbisses beinah den kleinen Finger abgehackt. Farblich passte es prima. Orange der Kürbis, rot das Blut. Schöne Herbstfarben eben.