Die Enttäuschung in Haseeb Rahimis Stimme ist unüberhörbar. »Es ist alles verloren, wir müssen bei null anfangen«, sagt der 30-jährige Unternehmer am Telefon in Oslo und beginnt zu erzählen: »Jeder nur denkbare Ärger, wir haben ihn: Unsere Zulieferer mussten schließen, unser Showroom ist dicht, wir kommen nicht an unser Lager ran, wir schulden Lieferanten Geld, unsere Mitarbeiter sind verzweifelt und hoffen auf unsere Hilfe.«
Gemeinsam haben sie das Label vor sechs Jahren gegründet. Mit ihren Entwürfen statteten sie die Teilnehmer von »Afghan Star« aus, einer Castingshow wie »Deutschland sucht den Superstar«. Die Kollektionen wurden bei Modenschauen in der US-Botschaft in Kabul gezeigt, 2019 wurden sie zur Fashion Week nach Mailand eingeladen. Eine Zeitschrift schrieb gar einmal vom »Chanel Afghanistans«.
Seit zwei Jahren lebt Rahimi mit seiner Frau in Oslo. Auch der Rest der Familie hat Afghanistan inzwischen verlassen. Sie hätten kommen sehen, was mit ihrem Heimatland passiert, sagen sie, und sind rechtzeitig geflohen. Die Eltern und Rahiba leben nun in der Türkei. Ihr gehe es miserabel, sagt der Bruder. Rahiba Rahimi war für die Designs des Labels zuständig. Sie arbeitete mit bunten, schweren Stoffen und aufwendigen, handgestickten Verzierungen.
Probleme hatten sie auch schon, bevor die Taliban wieder an die Macht kamen. Auch von eher konservativen Freunden ihrer Familie hätten sie viel Widerspruch und Kritik gehört. Für ihren Traum von Designermode »Made in Afghanistan« hätten sie aber auch viel Unterstützung erfahren, weil es in dem Land etliche Menschen gebe, die einen Wandel wollten, die wie sie auf Freiheit gehofft hatten.
»Stets mit Krieg und Elend verbunden«
Samina Ansari berichtet Ähnliches. Sie sagt: »Ich gehöre zu der Generation Afghanen, die damit aufgewachsen sind, dass die Geschichte ihres Landes stets mit Krieg und Elend verbunden wird.« Deshalb sei sie 2015 zurückgegangen, um das Land wieder mit aufzubauen. Auch sie lebt mittlerweile in Norwegen. Wieder, muss man schreiben. Denn ihre Familie war bereits 1995 vor dem Bürgerkrieg geflohen, erst nach Pakistan, im Jahr 2000 erhielten sie Asyl in Norwegen.
Angst hatte sie damals keine, sagt sie: »Meine Erfahrung mit Afghanistan war wunderschön, denn es gab viel Hoffnung.« Seit November des vergangenen Jahres habe sich die Situation dann aber drastisch verschlechtert. Menschenrechtsaktivisten wurden ermordet, Journalisten, Schauspieler. Im Februar verließ sie ihr Heimatland ein zweites Mal. Sie hatte das Gefühl, mit ihrer Arbeit nichts mehr ausrichten zu können.
Kontakt zu ihren alten Weggefährtinnen in Afghanistan zu bekommen, ist schwierig. Niemand wolle mit der Presse reden, sagt Ansari. Alle hätten Angst. Sie hofft, »dass die Weltgemeinschaft die afghanischen Frauen und Mädchen nicht vergisst, denn sie sind am verletzlichsten gerade«.
Um auf deren Schicksal hinzuweisen, startete Bahar Jalali, eine ehemalige Geschichtsprofessorin der Universität, an der auch Ansari früher unterrichtet hatte, jüngst eine Social-Media-Kampagne.
Die dazugehörigen Hashtags lauten #FreeAfghanistan, #AfghanCulture und #DoNotTouchMyClothes – Finger weg von meinen Kleidern!